Lebenslauf des verwitweten Bruders Peter Titus–Neger
Nazareth April 1838
Lebenslauf des verwitweten Bruders Peter Titus, von ihm selbst aufgesetzt (einem Bruder in die Feder diktiert im April 1838.)
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Ich wurde geboren den 28ten März 1770 in der Stadt New York in dem Hause des verstorbenen Bruders Christian Fröhlich, wo meine liebe Mutter Rebecca damals wohnte. Mein Vater war täglich im Theater als einen der besten Musiker beschäftigt. Meine Mutter besorgte mich ganz, bis ich zu reden anfing. Jetzt aber wünschte Bruder Fröhlich, mich zu unterrichten, und nahm mich mit Erlaubniss meiner Eltern näher zu sich; mietete deswegen eine Schwester Elizabeth West, die mich treulich pflegte, und die ich immer als eine liebenden (treue) Mutter liebte und achtete. (Br. Fröhlich gab wegen dieser Handlung den folgenden Grund an, “Weil meine Rebecca ihre zwei ältere Söhne zu schlechte und irreligiös auferzogen hat, so will ich dieses mir liebes Kind selber zum Dienst des Herrn erziehen.”) Nachdem ich etwas älter geworden und schon gut reden konnte, unterrichtete mich mein lieber Pflegevater in der Geschichte des Lebens Jesu. Er hatte viele Bilder aus dem Leben Jesu/// genommen, die den Heiland in allen den werk-würdigsten Szenen seines Lebens von dem Kripplein bis zu seiner Himmelfahrt deutlich und schön darstellten. Diese hatte er an der Wand seiner Stube hängen, und täglich musste ich der Bedeutung von einigen derselben lernen, so dass ich noch sehr jung zum Heiland hingeführt wurde. Nachdem ich dieses wohle ins Gedächtniß gebracht habe, wies Br Fröhlich einige Gebete in Englischer Sprache (denn deutsch konnte ich nicht sprechen bis ich zu der Gemeine in Bethlehem kam) und zwar ein Morgengebet, ein Mittagsgebet, und zwei Abendgebete. Das Andenken daran erfreuet mich noch in meinem Alter, und oft habe ich mit Thränen daran gedacht, wie ich, ein noch kleines Kind, in der Mitte der grossen Familie meines Theuren Pflegevaters auf die Kniee saß und da in kindlicher Einfalt für nur einen Segen für das ganze Haus flehete.
Nachdem ich etwas älter geworden, machte Joseph Fröhlich seinem Vater viel Unruhe, indem Er mich zum Soldaten erziehen wollte. In dem Morgen übte er mich im Militärischen und glaubte/// mir dadurch ein Geschmack für diese Geschäft zu geben; daß mein lieber Pflegevater brachte es bald dahin, daß ich mich für das stille Leben äußerte, und das Soldatenwesen gänzlich aufgab. Der langen Revolutionskrieg zwischen Amerika und Groß Britannien brach nun aus, und machte es sehr gefährlich in New York zu wohnen, da beide Partheien bald wegen dieser großen Stadt-Sitz ey miteinander kämpften. Deswegen bat mein Pflegevater mir an, mich nach dem Brüdergemeinort Bethlehem zu nehmen, um daselbst eine weiteren Unterricht ertheilen zu lassen. Noch ehe er mich nach Bethlehem brachte, beschrieb er mir diesen Ort sehr deutlich, so wie alle Einrichtungen der Brüder daselbst. Ich war höchst erfreut, und folgte ihm so bis nach Bethlehem. Doch bald sollte ich den treuen Wächter meiner Jugend verlieren; denn kurz nach unserer Ankunft, wurde er krank, und nach einigen Tagen endigte er sein Leben hienieden.
Ich folgte ihn zu seiner Ruhestädte mit grossem Trauer und tief betrübtem Herzen. Doch was war zu machen der Herr hatte es beschlossen! Sogleich ich ihn nun nicht mehr lebend vor mir ///hatte, so war er nur doch noch sehr zum Stutzen, denn er hatte für meine Erziehung schon vor seiner Krankheit gesorgt; hatte mich der Schwester Magdalene More, einer guten alten Mutter anvertraut, und zum voraus für meinen Schulunterricht bezahlt. Zwei Jahre nachher wurde ich in der Schule geschickt, wohnte aber bei Br. Carl Werneke, dem Gerber. Die Brüder Ehlert, Örter und Benzien waren meine Lehrer in der Schule und gaben sich viel Mühe mit mir. Br. Benzien besonders habe ich viel zu verdanken, denn dieser liebe Br. lehrte mich singen und schreiben, welche mir oft in späteren Jahren viel Freude gemacht hat. Ich blieb in der Schule von meinem 9ten bis zu meinem 12ten Jahre, und lernt viel Gutes in dieser fröhlichen Zeit. Meine liebe Pflegemutter More besorgte mich während dieser Zeit mit der größten Treue, wie sie meinem lieben Vater Fröhlich versprochen hatte. Von meinem 12ten bis zu meinem 14ten Jahr wohnte ich ganz bei Br. Werneke, der mir allerlei Arbeit zu thun gab.
In dieser Zeit wurde ich in das Knabenchor aufgenommen. In diesem Chor lebte ich sehr vergnügt, und wurde von meinem lieben Heiland oft gesegnet und gestärkt. Zwei Jahre blieb ich in der Familie des Brs Werneke ohne das Handwerk welches er trieb zu lernen. Nun aber wie ich 14 Jahre alt war sollte ich ein Geschäft übernehmen mit welchem ich mich auf zeit lebens ernähren könnte. Mein Wunsch ging immer auf das Uhrmacherhandwerk, doch ich wurde von etlichen meiner Freunde endlich überredet ein Gerber zu werden. Dem gemäß wurde ich an Br. Werneke verbunden, um bei ihm das Geschäft gründlich zu erlernen. Mein Meister war ein sehr strenger Mann, und deswegen kamen viel Unannehmlichkeiten vor, doch glaube ich immer daß dieses alles mir zum Besten von meinem lieben Herrn geschickt war.
Am 28. März 1785 (also an meinem Geburtstage) wurde ich in die Gemeine aufgenommen und am 7. July 1792 gelangte ich zum ersten maligen Genuß des heiligen Abendmahls. Sobald als ich mein 21. Jahr erreicht hatte, verließ ich Br. Werneke, und war unwillig das Gerber-Handwerk weiter zu betreiben. Da wurde mir aufgetragen im Wirthshaus zu arbeiten; da dieses mir aber nicht gefiel, suchte ich meinen Verdienst wo anders. In dieser Lage, wurde ich von der Conferenz beauftragt die Öhlmühle zum Theil zu übernehmen, indem ich an die Stelle des Bruders David Kunz treten sollte. Da mir dieses ganz wohl gefiel nahm ich es an, und arbeitete ein ganzes Jahr in dieser Mühle (inserted in margin: Während dieser Zeit begegnete mir ein Zufall, der mich an dem Rand des Grabes brachte. Im Winter geschah es, daß das grosse Wasserrad eines Morgens sehr fest gefroren war. Darauf ging ich unvorsichtigerweise mit meinem Beil in dasselbe und schlug das Eis ab. (da dieses frostig war) Als das … fing er plötzlich an sich zu drehen, wobey es immer stärker wurde. Ich sprang noch zurechte Zeit ab … denn es wäre ich eine Minute länger darauf geblieben, ich hätte gewiß mein Leben eingebüßt.) Jetzt aber wurde ich angewiesen nach Gnadenthal zu ziehen um daselbst als Gehülfe des Bruders Schnall auf der Plantage zu dienen. Da dieses ein schwerer Auftrag war, so blieb ich einige Zeit unwillig denselben anzunehmen. Nach 3 Monaten aber gelang es der Conferenz mich dazu zu überreden. Noch ehe ich nach Gnadenthal zog, wurde am 7. Mai 1792 durch Br. Carl Gotthold Reichel in Nazareth mit der jetzigen Schwester Maria Boston, von Christiansbrunn getraut. Mit dieser meiner lieben Lebensgefährtin lebte ich nun sehr vergnügt. Die Arbeit auf der Gnadenthaler Plantage aber wurde mir schwerer. Zum ersten mußte ich pflügen lernen, welches mir jedoch nach und nach gelang. Hier blieb ich nur 2 Jahre, weil meine liebe Frau die Lage daselbst nicht sehr liebte.
Im Jahr 1794 verliessen wir also Gnadenthal, und zogen nach Nazareth, in das Haus Ephrata genannt. Hier hatten wir eine sehr vergnügte; ich arbeitete 2 Jahre an verschiedenen Plätzen als Tagelöhner.
1796 fing ich an auf der Gerberey die von Br. Belling besorgt wurde zu arbeiten. Dieses Geschäft trieb ich hier beynahe 15 Jahre. Dieser Zeitraum war eine der vergnügsten meines Lebens. Durch meine Arbeit erwarb ich mir ein gutes Durchkommen und meine Frau half dabei mit allerlei Waren, die sie zum Verkauf verfertigte z. B. Schnufftabak, Schreinerleinen, etc. Nebenbei wurde mir in dieser Zeit das Blasbalkenziehen an der Orgel in der Kirche anvertraut welches ich noch bis auf den heutigen Tag, theilweise versorge.
Im Jahr 1811 arbeitete ich ein wenig auf meinem Handwerken bei meinem früheren Meister Werneke in Bethlehem. In einem halben Jahr darauf wurde ich zum Postmeister einer Privatpost zwischen Bethlehem und Nazareth gemacht. Dieses Geschäft trieb ich ein ganzes Jahr.
Im Jahr 1812 gab mir die Conferenz ein Stück Land, 7 Acker ungefähr, hinter Ephrata, an der langen Wiese liegend. Dieses versorgte ich so gut ich es im Stande war. Ich kaufte mir zwei Kühe um mein Vermögen schien sich zu verbessern. Meine liebe Frau war darüber sehr vergnügt. Aber sie glaubte es wäre doch vielleicht besser, wenn ich an meinem Handwerk arbeitete, weswegen ich 3 Monate in Bath bei Mr Steckel als Gerber beschäftigung erhielt. Hier wurde ich sehr krank; welches Ereignis meine baldige Zurückkunft nach Nazareth herbeiführete, Nach und nach wurde ich wieder gesund; von der Zeit an arbeitete ich wieder auf meiner kleinen Bauerey und wenn ich Zeit hatte als Tagelöhner im Ort.
Einige Jahre nach diesem that ich einige Besuchreisen nach Staten Island und meinem Geburtsort New York. In Staten Island fand ich viele Speise für mein bedürftiges Herz, unter den vielen farbigen die daselbst wohnten. Ich glaubte es würde sehr zweckmässig seyn wenn sie eine Kirche für sich selbst errichten könnten, um daselbst Gottesdienste so oft als möglich zu haben. Einige derselben verbanden sich darauf in einer Societät, und wir hielten etliche Versammlungen in denen ich als Verkündiger der frohen Botschaft diente. Doch bald darauf reiste ich wieder nach Hause, und mehrere Umständen wegen, besuchte ich Staten Island nie wieder, welches dieser kleinen Schaar es nöthig machte, sich an die Methodischen Kirche anzuschliessen.
Im Jahr 1822 wurde meine liebe Frau sehr krank, so dass ich sehr befürchtete, der Herr möchte sie mir nehmen. Dieses geschah auch wirklich, am 9. September desselben Jahres. Das war mir ein unbeschreiblicher Verlust. Eine lange Zeit wanderte ich herum, als einer der tief von den Unglücksfällen dieses Lebens gebeugt ist. Doch ich fand Trost in dem Glauben daß sie dahin sey beym Herrn, wo ich sie auch nach kürzerer oder längerer Zeit zu sehen hoffe.
Nach diesem wurde ich genöthigt meine Kühe, und viel anderes was unserer Haushaltung angehörte, zu verkaufen. Darauf arbeitete ich an verschiedenen Plätzen im Ort, bis ich eine Anstellung in Nazareth hall erhielt. Diese beschäftigte mich bis jetzt mit nur wenig Unterbrechung. “Ich wünschte dem Herrn zu dancken, daß er mich so weit gebracht.” glücklich u. Getrost in der Hoffnung bis ihm ewige Ruhe zu finden und deshalb möchte ich gern in diesem Lebenslauf allen denen,die ihn zu hören bekommen, werden bezeugen:
“Der Herr hat alles wohl bedacht.
Und alles, alles recht gemacht.
Gebt unserem Gott die Ehre.” Amen. Nazareth April 1838.
(Vorstehender Erzählung ist noch folgendes beizufügen:)
Bis vorigen Herbst wohnte unser l. Br Titus ruhig und vergnügt in Ephrata bis seine körperlichen u. Oeconomischen Umstände von der Art wurde, daß eine Versetzung für ihn nach dem benachbarten Armenhause unumgänglich nöthig wurde. So schwer ihm auch anfangs diese Versetzung wurde, so gewohnte er doch endlich in seine neue Lage ein, besonders nachdem er wiederholt die Versicherung erhalten hatte, dass ihn die hiesige Gemeine ferne als eines ihrer Mitglieder betrachten und ihm nach seinem Tode, ein unter uns gewöhnliches Begräbnis auf unserem Gottesacker gestatten würde.
Seine Leibes- u. Gemüthskräfte nahmen bald zusehends ab u. vor etwa 5 Wochen wurde er ganz von Sinnen, u. Fast ganz blind, wozu noch ein schlagartiger Zufall kam, der ihn theilweise lähmeteu. Ganz hülflos machte. Er wurde mit grosser Treue u. Angelegenheit im Armenhause bedient, bis es endlich dem Herrn gefiel, ihn am 12. August vormittags um ½ 12 Uhr von allen Leiden zu erlösen, u. Sanft zu vollenden, seines Alters 73 Jahr, 4 Monathe u. 15 Tage.