Source archive: Bethlehem
Document reference: Memoirs Bethlehem, 0341

Unser lieber seliger Bruder Daniel Kliest hat von seinem Lebenslauf eine weitläuftige Nachricht gegeben, wovon folgendes ein Auszug ist. Ich bin geboren den 15ten April 1716 zu Frankfurth an der Oder, wo mein Vater (der auch Daniel hieß) Bürger und Schlosser Meister war, meine Eltern waren lutherischer Religion, in welcher ich auch getauft und erzogen wurde. Meine selige Mutter Unterredungen und Ermahnungen und die geistreiche Lieder, die sie mit uns Kindern gesungen, machten einen tieffen Eindruck bey mir. Meinen Vater verlor ich frühzeitig (und ich kam darauf zu einem Verwandten, der mich gern wolte studiren lassen, allein ich zog ein gutes Handwerk, dem studiren vor, und drang darrauf, ein Schlosser zu werden) Etwa in meinem 7ten Jahr erfuhr ich eine besondere Bewhrung meines Lebens, ich fiel unvorsichtiger Weise in die Oder und wurde von derselben mit genommen und bey nahe zwischen 2. Boote hinein getrieben, ich kriegte aber halt an dem einen, die Leute die mich sahen eilten herzu, brachten mich ans Land und nach Anwendung einiger Mittel, wurde ich wieder gantz hergestellt. In meinen Schuljahren hatte ich manche Rührungen in meinem Herzen und dachte oft ich wolte mich den lieben Gott von Herzen ergeben und wenn ich in Verlegenheit über mich mein Herz vor Ihm ausschüttete, wurde mir oft sehr wohl. In meinem 18ten Jahr, kam ich in die lehre zu einem Schloßer, wo ich von durch die Gesellen allerley gutes und schlechtes von den Pietisten in doran hörte wobey ich öfters mit dem lieben Gott wegen meiner Bekehrung handeln wolte. Nach einer 3. jährigen lehr Zeit, ging ich in die fremde, mit dem Vorsatz, die Welt recht zu durchstreifen und derselben aufs beste zu geniessen. Ich arbeitete in (Guben, Görliz), Zittau, Bauzen, Dresden, Saden (PragRegensburg, Nürnberg, Prag, Frankfurth am Mayn, Strasburg) und mehren Orten und genoß der Welt vergnüglichkeiten; Ich war dabey oft unruhig über mich und die leute hielten

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mich für fromm (, auch glaubte ich selber, ich sey beßer als andere, die doch auch in den Himmel kommen wolten und sezte mich so gut ich konnte über die Unruh meines Herzens weg, doch)ich forschte (ich) zu weilen nach frommen Leuten, weil es mir aber nie rechte Ernst war, blieben mir selbige unerkannt, bis mich die treue Hand meines guten Hirten im Jahr 1741. in die Schweitz leitete (ich wolte von Strasburg nach Geneve reisen, allein) da ich nach Bern kam, war es als ob es mir ins Ohr schallte: bis hirher sollst du kommen und nicht weiter. Hier fing sich ein neuer periodus bey mir an, der zu meinem folgenden Gnaden Gang, den Grund gelegt hat; Ich wurde bald mit erweckten Leuten bekannt, besonders mit dem Herrn Professor König, der Versammlungen hielt, einmal begegnete mir der selige Samuel Lucius auf der Straße und sagte zu mir: Gott grüße dich! Das fuhr mir ins Herze, er ritt seine Straße und ich fragte die ersten Leute, die mir begegneten, was das für ein Herr gewesen? sie sagten: der Pfarrer Lucius von Diebach. Ich ging den folgenden Sontag in seine Predigt, in welcher er die liebe Jesu zu denen armen verlornen Sündern, auf das nachdrücklichste anpries, mein Herz wurde außerordentlich davon gerührt. Ich faßte den Schluß von nun an dem Herrn Jesu gantz und allein zu leben. Nach der Predigt ging ich mit vielen erweckten ins Pfarrhaus, wo er uns in seiner Stube, eine sehr gesegnete Rede hielt, dergleichen ich zuvor nie gehört, zulezt fiel er mit uns auf die Knie und betete innbrünstig über uns, daß der Herr Jesus doch ja keines, welches er einmal mit seiner liebe zu sich gezogen aus seiner Hand lassen wolle. Ich ging sehr bewegt nach Hause. der Heilige Geist arbeitete immer kräftiger an meinem Herzen, zeigte mir mein Natur verderben, absonderlich meinen Unglauben, darüber wurde mir sehr bange und ich fühlte mich gantz verloren. Einmal fiel mir der Spruch sehr nachdrücklich auf: wo die Sünde mächtig ist worden, da ist die Gnade noch viel mächtiger. Ich seufzete: ach wenn doch auch Gnade für mich wäre! es war mir gleich, als sagte mir jemand: Ja! auch für Dich ist gnade da! mein Herz wurde dabey leicht und mit trost erfreut. In derselben Nacht hatte ich einen unvergesslichen Traum, es war mir

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nemlich: als hörte ich eine himlische music und die Engel den Vers vernehmlich singen: Jesus will die Sünd vergeben! Jesus macht von Sünde rein! Jesus gibt das ew’ge Leben! Jesus will nur Jesus seyn! O du schönes Jesus Wort! Jesu laß mich hier und dort mit gebücktem Geist den Namen, ewiglich anbeten, Amen. Ich erwachte mit Gottesfrieden erfüllt. Bisher hatte ich noch nichts von der Gemeine gehört. Ich und noch 2. erweckte, Daniel und Lorenz Keller von Schafhausen, hielten uns zusammen und vertrauten uns miteinander so gut wir konnten. So geschah es, daß Bruder Bossard ein Uhrmacher uns besuchte, welcher uns von den Versammlungen der Brüder Nachricht gab und uns invitirte, mit ihm dahin zu gehn. Der Studiosus, Bruder Sontag, hielt die Versammlung und redete sehr gefühlig, von der liebe Jesu gegen zu allen armen Sünder (und daß man, wie man ist, zum Lamme kommen kan und wenn man kommt gleich angenommen wird.) alle seine Worte paßten für mich. Verschiedene fromme Leute gaben sich mühe uns an den Brüdern abzuziehen, ich bat aber den Heiland, mich doch selbst zu unterweisen und mir den rechten Weg zu zeigen. Ich wurde nun sehr eifrig und hätte gerne alles gläubig an den Herrn Jesum und des Genußes seiner Versöhnung theilhaftig gemacht. Besuchte fleißig die erweckten und hielt ihnen auch Versammlungen, ich wurde auch zu Kranken und sterbenden geholt, und der Heiland gab mir gnade, viele aus der Irrthümerey (in ansehung des Weges zur Seligkeit) zu rechte zu weisen. Ich besuchte auch auf dem Alpen gebirge, die erweckten Leute. (Bruder Georg Wallis kam um diese Zeit zum Besuch nach Bern, ich kriegte ihn so lieb, daß ich gerne gleich mit ihm zur Gemeine gereist wäre). Der liebe Bruder Nicolaus von Watteville hielt uns auch manche gesegnete Versammlung. (Ich hielt auch mit Bruder Friedrich von Watteville da er nach Bern kam, manche gesegnete Unterredung.)1745. im Frühjahr kamen Geschwister Peistels und Bruder Raillard nach der Schweiz, da ich dem Bruder Peistel mein Verlangen zur Gemeine zu gehn, eröfnete; er machte mir recht viele Schwierigkeiten, wegen meinem Durchkommen, und rieth mir lieber hier zu bleiben, wo ich es weit beßer haben könne. Ich antwortete ihm: Ich wolte viel lieber mit dem Volck Gottes Ungemach leiden, als alle Schätze der Welt besitzen! Da er mir endlich versprach mich zu einem Besuch in der Gemeine mitzunehmen.

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(hierauf ging ich zu dem lieben Pfarrer Lucius und sagte ihm ich wolte zu meiner Mutterreisen; er ertheilte mir seinen Segen und da ich von ihm ging, entließ er mich mit den Worten: Und er hub seine Füße auf und ging zu Jesu.) Auf meiner reise hatte ich in Schafhausen die gnade, vielen erweckten Seelen zu sagen, daß dem Herrn Jesu nichts zu schlecht ist wenn es nur will von Ihm sich helfen lassen. In Basel traf ich Geschwister Peistels an. wir reisten (nebst den Brüdern Daniel Keller, Wohnlich, Fuß und Raillard von Basel) ab und am 8ten May 1745. Kamen wir in Marienborn an, (nachdem ich 9. Jahre in der Fremde zu gebracht davon mir die 4. lezten die ich in der Schweitz verbracht jederzeit unvergeßlich seyn werden.)(Ich hatte die Gnade vom seligen Jünger gesprochen zu werden, war mit bey einem Sabbaths Liebesmahl und in der Abendmahlsviertelstunde, und wurde darauf von einigen Brüdern nach Herrnhaag begleitet,) wie danckbar und froh war ich, daß ich nun erhalten, wonach ich mich so lang gesehnt und dachte ich hätte nun den Himmel auf Erden. Allein ich kam bald in eine rechte Schule, darinnen mein Grundverderben so (gerüttelt und geschüttelt) wurde, daß ich darüber in Confusion gerieth, alles verwarf und nicht wußte, wo ich mich hinwenden solte, mein glaube an den Heiland verlor sich und ich hatte keine Freudigkeit mich zu Ihm zu wenden. (Mein ungläubiges Herz wurde mir so gezeigt,) daß ich darüber bittere Thränen vergoß, (und Ihn bat es zu reinigen von allen Sünden, sonderlich der Hauptsünde des Unglaubens.) Da Er sich mir offenbarte und mir trost und Frieden aus seinen Wunden zufliessen lies. Den 28ten August 1746 wurde ich in die Gemeine aufgenommen und am 1ten Januar 1748. hatte ich die Gnade mit der Gemeine des Heiligen Abendmahls theilhaftig zu werden, es war mir unaussprechlich dabey zu muthe. Nachdem ich viel seliges auf dem lieben Herrnhaag genossen, reisete ich den 16ten September 1748. nach dem guten Willen unsers lieben Herrn nach Zeist und London, wo die ganzte nach America bestimmte, ziemlich zahlreiche Gesellschaft zusammen kam, der selige Jünger hielt uns manche gesegnete Versammlungen. Am 14ten Februar 1749. reiseten wir mit Geschwistern Johann Nitschmanns von London ab, kamen in dem Schif Irene am 12ten May

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in Newyork und am 20ten in Bethlehem an. Wo ich den 25ten August mit der ledigen Schwester Anna Rosina Beyerin (die auch mit uns über die See gekommen) zur Heiligen Ehe verbunden wurde in welcher uns der Heiland ein Söhnlein Johann Daniel schenckte welches er aber bald zu sich nahm. Die Mutter folgte ihm am 9ten December 1750 nach. In meinem Witwerstand ergab ich mich aufs neue dem lieben Heiland und hielt mich sünderhaft gläubig an ihn. 1752. erhielt ich ein Ruf unter die Indianer nach Shomokin, wo ich anderhalb Jahr blieb, ich hatte sie von Herzen lieb und sie mich auch, in der Seelen Sache war ihnen damals noch nicht bey zu kommen, doch hat es sich in der drauf folgenden Zeit gezeigt, daß manches, was mit ihnen geredet wurde, zu ihrem Segen war. Ich wurde darauf wieder nach Bethlehem geruffen, hier der Schlosserey vorzustehen. Ich wurde hier auch zur Acoluthie angenommen und bald wieder nach Shomokin geschickt, wo ich etwas über ein halb Jahr blieb und dann in mein voriges Geschäfte zurück kam und am 4ten October 1757. mit der ledigen Schwester Anna Felicitas Schusterin zur heiligen Ehe verbunden wurde welche der Heiland mit 2. Kindern, einem Sohn Daniel und einer Tochter Anna Rosina, gesegnet, die sich beide hier in der Gemeine befinden. 1765 am 27ten October gefiel es Ihm unsern lieben Herrn, meine liebe Frau selig zu vollenden und mich abermals in den Witwerstand zu versetzen. Seine Nähe tröstete mich bey dem Verlust und sein friede machte mein Herze leicht. Er erhalte mich und meine Kinder bey sich und seinen Wunden bis zum sehen. Er hat mich je und je geliebt und selbst zu sich gezogen (und ob ich Ihn gleich oft betrübt, blieb Er mir doch gewogen. Ich bins nicht werth, ich armer! Die lieb ist allzu gut! Die liebe mein Erbarmer, die also an mir thut. Preis, Ehre und macht, sey dir von mir armen Erlösten gebracht! So weit er selbst.) Unser lieber Bruder, ging in seiner langen Witwer-Zeit

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einen seligen erbaulichen Gang, zeigte eine große Liebe zu Gottes Wort und den Gemein-Versammlungen, die er nicht gern versäumte, war auch einige Jahre Saal-Diener und zulezt ein Mitglied des Aufseher- Collegii und zu jedermanns Freude ein seliger ver gnügter alter Vater. Dabey machte ihm der Heiland die Freude, daß er das Bebleiben (und Gedeihen) seiner Kinder in der Gemeine sehen und sich drüber freuen konnte. Er genoß dabey eine gute Gesundheit. Am 1ten Merz ging er Vormittags nach seiner Gewohnheit, einen alten schwachen Chor-Bruder besuchen, ohne einiges Zeichen, von besonderer Schwäche oder kranckseyn, auf dem rückwege, sank er nieder und verschied, ohne eine wo ein Wort zu reden, wozu ihm der Segen der Gemeine und seines Chors noch er theilt wurde; in seinem 76ten Jahr.

 

Memoir facsimiles

People mentioned in this memoir

Anna Felicitas Schusterin
Anna Rosina Beyerin
Bruder Bossard
Bruder Georg Wallis
Bruder Peistel
Bruder Raillard
Bruder Sontag
Daniel Keller
Lorenz Keller
Engel
Friedrich von Watteville
Geschwister Peistels
Geschwistern Johann Nitschmanns
Gesellen
Heiland
Heilige Geist
Herrn Professor König
Leuten
Nicolaus von Watteville
Pfarrer Lucius
Raillard
Samuel Lucius
Sohn Daniel
Söhnlein Johann Daniel
Verwandten
Wohnlich
fromme Leute
guten Hirten
selige Jünger

Places mentioned in this memoir

Alpen gebirge
America
“Basel
Bauzen
Bern
Bethlehem
Diebach
Dresden
Frankfurth am Mayn
Frankfurth an der Oder
Geneve
Guben
Görliz
Herrnhaag
London
Marienborn
Newyork
Nürnberg
Oder
Prag
Regensburg
Schafhausen
Schweiz
Shomokin
Strasburg
Zeist
Zittau

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