Unser am 17ten Juli 1808 selig entschlafener verwitweter Bruder Johann Georg Jungmann hat von seinem Lebenslauf folgendes hinterlassen.
Ich bin den l9ten April, 1720 zu Hockenheim in der Pfalz, 4 Stunden von Mannheim geboren. Meine Eltern waren reformierter Religion.
Meine Großeltern von des Vaters Seite, waren der Religion wegen, über welche sie steif und fest hielten, aus Frankreich vertrieben worden. Mein Vater, der ein Bürger und Küfer‑Meister an oberwähntem Ort war, ließ sich’s sehr am Herzen liegen, seine Kinder vor dem lieben Gott zu erziehen, weswegen er uns bei zunehmenden Jahren in sehr genaues Aufsicht hielt und uns allen Umgang mit andern Kindern versagte. Er hielt uns auch frühzeitig zu fleißiger Arbeit und zum Gebet, besonders des Abends vor dem Schlafengehen und des Morgens beym Aufstehen an, welches mich oft zum Nachdenken über mich brachte. Die Beschreibung der Hölle flößte mir aber mehr Furcht als Liebe gegen Gott ein.
In meinem 5ten Jahr starb meine Mutter, welcher Vorgang mir lustig und vergnüglich vorkam, besonders weil ich einen neuen Rock zum Begräbnis erhielt. Als aber die Leiche ins Grab gesenkt und die erste Schaufel mit Erde darauf geworfen wurde, durchdrang mich ein solches Gehühl von Wehmuth, daß ich mich nicht zu lassen wußte. In der Stunde machte sich der Heiland mir bekannt, und tröstete mich, daß meine Mutter bei
Ihm sei. Vor der Zeiten wurde ich oft verlegen über mich, daß ich doch nicht verloren gehen, sondern zu Ihm kommen möchte, und da ich mich mit diser Verlegenheit getrost zu Ihm werden konnt, so ließ Er mich auch nie ungetröstet.
Mein Vater erteilte erwachsenen Mannsleuten Unterricht im Rechnen und musikalischen Singen. Der Gesang der Weihnachtslieder war meinem Herzen eine besondere Weide, und da ich anfing zu lesen, war mir nichts lieber, als mir die Leidensgeschichte unsrers lieben Heilands recht oft zu wiederholen, nur konnte ich mir das tyrannische Verfahren der Juden mit Ihm nicht zurechtlegen; dieses erregte in mir eine wirkliche Feindschaft gegen sie. In meinem 9ten Jahre erfuhr ich eine besondere Bewahrung von meinem guten Heiland. Bei Gelegenheit, daß ich wie gewöhnlich mit meiner Schwester und Stiefmutter und noch einem Mädchen auf unserem Weideland, das wegen der jährlichen Überschwemmung vom Rheinstrom sehr sumpfig und mit einem tiefen Graben durchzogen war, nach Gras für unsre Kühe ging, geschah es, daß ich mich, in meinem Eifer gutes Gras zu bekommen, unversehens zu weit von der Gesellschaft entternte und, da in dem morastigen Graben das beste Gras war, so legte ich mich, um es erlangen zu können, am Rande desselben auf dem Leib, stürtzte aber auf den Kopf hinein. Hier hätte ich in kurzer Zeit umkommen müssen, wenn nicht Gott just zu der Zeit es verfügt hätte, daß ein Mann da, wo ich steckte, sein verlorenes Vieh suchte. Dieser zog mich mit Erstaunen heraus und rettete mein Leben und, da er mich kannte, brachte er mich nach Hause. Die Folge davon war, daß ich das Kaltfieber bekam, woran ich 7 Wochen, sehr elend darnieder lag, sodaß mir jedermann das Leben absprach. Gott schenckte mir aber wieder meine Gesundheit.
Im Jahre 1731, da ich 11 Jahre alt war, wurde mein Vater durch sehr angenehme Beschreibungen von Amerika, wohin auch schon verschiedene Leute aus der Gegend gezogen waren, auch ermuntert, mit seiner Familie sich dahin zu begeben. Er verkaufte alles, und, da uns sonst nichts hinderte, so gingen wir im April dieses Jahres auf die Reise und zwar zu Wasser von Neckenhausen bis Rotterdam. Es ging recht glücklich. Hier aber, nämlich in Rotterdam, mußten wir 3 Wochen auf die Abfahrt eines größeren Schiffes, das außer den Matrosen 156 Passagiere mit nach Pennsylvanien in Nord-Amerika nehmen sollte, warten. Der Captain machte uns Hoffnung, uns in 6 oder 8 Wochen, nach Philadelphia zu bringen. Gott fand es aber für gut, uns noch vor der Ankunft daselbst harte Proben erfahren zu lassen. Der Captain versahe sich mit Schiffsprovision für die genannte Anzahl Menschen auf 12 Wochen; und so segelten wir dann nach Falmouth in England, wo wir 3 Wochen verweilten und noch manches Notdürftige mitnahmen. Nach Verlauf von 12 Tagen auf der weiteren Reise, versicherte uns der Captain, daß wir schon den halben Weg zurück gelegt hätten, worüber wir sehr erfreut waren. Nun bekamen wir erst Windstille und dann fürchterlichen Sturm. Nach Verlauf von 8 Wochen wurde uns schon an unsrer Portion Brot und Wasser abgebrochen; die letzten 4 Wochen der Reise war kein Brot mehr zu sehen und mein Vater erhielt für sich, meine Schwester und mich täglich nur 1 Pint Wasser. Schauer muß ein jedes gefühlvolles Herz durchgehen, wenn ich sage, daß Ratten und Mäuse nebst der genannten Portion Wasser unsere Labung war. Eine Katze wurde für 1/6 und eine Maus für 6d gekauft. Der Captain glaubte, daß sämtliche Passagiere wohlhabend wären und hatte daher nicht im Sinn uns ans Land zu bringen sondern uns alle verhungern zu lassen, welches ihm leider größten Teils gelang, indem von den 156 Personen nur 48 das amerikanische Land betraten, und es wäre keine davon gekommen, wenn die letzten nicht aufrührerisch geworden wären und den Captain in Verhaft genommen hätten, da wir dann in drei Tagen auf bei Rhode Island glücklich vor Anker kamen, welches in der Woche vor Weihnachten war, nachdem wir 25 Wochen auf der Reise verbracht hatten.
Mein Vater, meine Schwester und ich wie auch die übrigen am Leben gebliebenen waren von Hunger und Durst ganz verschmachtet. Meine jüngste Schwester, meine Stiefmutter mit ihren zwei kleinen Kindern büßten ihr Leben auf der See ein. Es war überhaupt ein herzdurchschneidender Anblick, Leute nach Labung schmachten zu sehen, ohne ihnen helfen zu können, und sie des Morgens auf ihrem Lager erblaßt von den Ratten angefressen zu finden und dann ins Meer versenken zu sehen. Der gleiche Exempel kamen bisweilen an einem Morgen 2 bis 3 mal vor. Dabei war es für uns ein Geheimnis, wovon der Captain mit seinen Leuten lebte, bis wir beim Ausfrachten des Schiffes an einem verborgenen Platz drei Körbe voll Brot fande. Ich war in jämmerlichen Umständen, denn aufrecht konnte ich nicht mehr gehen, u. mußte fast auf Händen und Füßen kriechen. Mein Vater hatte gezweifelt, daß er mich ans Land bringen würde. Mir war es aber ausgemacht, daß ich am Leben bleiben würde. Ich klagte dem lieben Heiland meine Not, der mich so wie ehemals bei meiner Mutter gar mächtig tröstete.
Wie froh war ich und mit welchem dankerfüllten Herzen konnte ich mich seiner gnädigen Erhörung erfreuen, daß er uns obgleich kummervoll in dies Land gebracht hat. Sobald wir Land erblickten, freute ich mich schon darauf recht laufen zu können, aber wie fand ich mich getäuscht, da ich beim ersten Schritt vor Entkräftung niederstürzte und garnicht fort konnte. Ehe wir aber ans Land gesetzt wurden, kamen 4 Indianer auf unser Schiff und verlangten vom Steuermann (der Captain war schon am Lande), die Passagiere zu sehen, welche der Captain vorgab, verkaufen zu wollen. Sobald sie uns zu Gesichte bekamen, fiel einer unsrer Mitpassagiere (ein junger Mensch, der schon etwas Englisch verstand) den Indianern zu Füßen, und bat sie um ein wenig Wasser und Brot. Da diese Indianer unsere dürftige und klägliche Lage sahen, zeigten sie es ihren Leuten an, die auch sogleich darauf drangen, daß uns der Captain ausliefern mußte, und sobald wir ans Land kamen, brachten diese unsre Wohltäter uns in ein Haus, wo wir die beste Pflege genossen.
(Dieses mitleidvolle Betragen der Indianer war mir also sehr merkwürdig, in dem sie unsre Retter waren, wurde mir aber in der Folge noch merkwürdiger, da ich ihrer Nation den Versöhner der Welt anpreisen konnte.)
In dem vorerwähnten Hause wohnten wir vom Ende Dezember 1731 bis Anfangs May 1732 und wurden von den guten Leuten wie Kinder gq pflegt und gewartet; alsdann gingen wir wieder zu Schiff und langten den 16. Mai in Philadelphia an. Hier wurden wir gleich von zwei ledigen Mannsleuten empfangen, die uns zu meines Vaters Mutter, welche 5 Jahre vorher mit ihnen in dies Land gekommen war, b achten. Das war eine große Freude für uns, nicht nur weil mein Vater seine Mutter schon seit 20 Jahren nicht gesehen hatte und sie jetzt auf so unverhoffter Art umarmen konnte, sondern weil uns auch alle Kummer, wie wir vom Schiff loskommen würden, benommen wurde, denn sie hatte dafür schon gesorgt.
Ein ehemaliger Bekannte meines Vaters namens Bastian Kreff in Oly ließ uns, nachdem er Nachricht von unserer Ankunft in Philadelphia erhalten hatte, nebst unsrer Großmutter mit einem Wagen abholen und offerierte uns für ein ganzes Jahr freie Kost an seinem Tisch und ein Haus zum Wohnen. Wir nahmen beides mit Dank an, doch nur auf so lange, bis wir uns selbst würden eingerichtet haben, womit wir in 3 Wochen zustande kamen.
Mein Vater fing eine Branntweinbrennerei an und, da dieses Jahr ein reichliches Obstjahr war, so hatten mein Vater, meine Schwester und ich genug zu tun, doch lernte ich auch daneben noch von meinem Vater das Küferhandwerk. Im Jahr 1733 kaufte mein Vater 100 Acker Land für 15 10/‑. Als die nötigen Gebäude aufgerichtet waren, übernahm mein Vater die Besorgung der Branntweinbrennerei und Küferei, fing auch an Bier zu brauen. Mir empfahl er die Bewirtschaftung der Plantage, und meine Schwester versah nach Möglichkeit die unsere Haushaltung, bis mein Vater sich genötigt sah, zum dritten Mal zu heiraten und zwar eine Witwer mit drei Kindern. Hierdurch bekamen wir auch einige Pferde und Kühe und es machte mir viel Vergnügen, die Plantage nun mit unserem eigenen Gespann bearbeiten zu können; bisweilen mußte ich auch noch meinem Vater in seinen Hantierungen helfen, und das lag mir an, davon die nötigen Kenntnisse und Vorteile zu erlangen, welches mir in der Folge sehr zustatten gekommen ist. Gott legt auch auf unsere Arbeit recht wunderbar seinen Segen, sodaß unsre Nachbarn darüber erstaunten, denn nach Verlauf von sieben Jahren hatten wir 50 Acker Land geklahrt, konnten mit unserem eigenen Gespann unsere Produkte nach Philadelphia fahren, hatten einen ansehnlichen Rind‑ und Schafviehstock, und mein Vater hatte noch 60 Acker Land dazu gekauft, und alles war bezahlt, auch das, was wir bei unserem Herkommen zu Berichtigung unserer Schiffsfracht geborgt hatten. Da hatte ich recht deutlich gesehen, daß am Gottes Segen alles gelegen ist.
Ob uns nun schon Gott im Äußeren wunderbar gesegnet hatte, so waren wir doch in dem Labyrinth der Welt so verwebt, daß wir leider wenig an Gott dachten und unser innerer kläglicher Zustand mußte wie vorzüglich erst durch trübe und schwere Vorkommenheiten, davon ich hier einige erwähnen will, aufgedeckt werden. Einstmals, als ich meine Pferde und meine Schwester die Kühe füttern wollte, begoß meine Schwester aus Unvorsichtigkeit mein Bein mit heißem Branntwein spülig, daß beim Ausziehen des Strumpfes die Haut mit herunterging. Durch ein schleunig gebrauchtes Mittel wurde die Hitze wohl herausgezogen, aber durch nachherige Vernachlässigung wurde mein Bein so schlimm, daß meinem Vater Angst und bange wurde; er schickte mich zu Pferd zu einer Frau, die datür bekannt war, dergleiche Schäden heilen zu können. Als sie mein Bein sah, sagte sie mit Tränen in den Augen: “Mein Kind, dein Bein ist sehr schlecht, es wird ein großes Glück für dich sein, wenn du es wirst behalten können.” Mit dieser traurigen Nachricht kam ich nach Hause. Mein Vater schickte gleich zu einem 20 Meilen von uns wohnenden Doctor; der selbe sagte, als er ein Bein sah, daß es nicht mehr geheilt werden könne und abgenommen werden mußte.
Dieses wollte mein Vater nicht geschehen sondern mich lieber sterben lassen. In dieser Verlegenheit fiel ihm ein, daß er ein medizinisches Buch von seiner Mutter Schwester erhalten hatte; er fand darinnen auch ein Mittel für verbrannte Glieder. Es war eine Salbe, die er nach der Vorschrift anfertigte und auf mein Bein legte, wobei ich auch täglich drei Schuß Schießpulver einnehmen mußte. Mein Bein wurde dadurch in kurzer Zeit so geheilt, daß ich nicht den mindesten Schaden davon trug.
Ein ander mal hackte ich mir den Fuß ziemlich durch und im folgenden Jahr spaltete ich mir beim Bearbeiten eines Wassertroges an dem selben Fuß zwei Zehen, sodaß es bis in die im vorigen Jahr erhaltene Wunde kam. Diese Schaden machte mir viel Not, es schien, als wenn ich zum Unglück geboren wäre, allein die Wege des Herrn mit uns sind und bleiben immer wunderbar und, was er tut und geschehen läßt, ist und bleibt gut und gereicht allemal zu unserem Besten.
Als ich einst für meine Pferde von oben unterm Dach über der Scheune Hafer holte, erfuhr ich eine besondere Bewahrung meines Lebens. Nachdem ich den Hafer herunter geworfen hatte, sprang ich nach der Leiter, welche ziemlich steil stand, verfehlte sie aber mit Händen und Füßen, fiel herunter auf die Tenne doch ohne merklichen Schaden, nur daß ich etwas gestaucht war. Bei Gelegenheit, daß mein Vater ein großes, dreistöckiges Spring House baute und zwar den unteren Stock gemauert und die anderen beiden von beschlagenen Blöcken hauptsächlich zum Behuf des Bierbrauens, fragte eine von den Zimmerleuten, wer wohl auf die in die Höhe gerichteten Stücke Holz, worauf die Blöcke hinauf gezogen wurden, mit Pantoffeln hinauf laufen könnte? Er versuchte es zwar, kam aber nicht weit, und mußte herunter springen; dann wagte ichs. Und als der Zimmermann sah, daß ich das bereiten würde, rüttelte er den Block, daß ich fallen mußte, und zwar fiel ich gerade auf einen Ast von einer gespaltenen Planke, der mir in die Hüfte ging. Hiervon hatte ich 3 Wochen viel Schmerzen auszustehen.
Ein andermal sah ich auf unsrer Shop‑Scheune ein Eichhörnchen. Dieses zu bekommen, rief ich unseren Hund, der mit solcher HePtigkeit auf mich zurannte, daß er mich zu Boden warf. Durch diese hePtige Erschütterung meines Körpers bekam ich außerordentliche Schmerzen in meinem Bein und besonders im Knie, daß ich weder Tag noch Nacht ruhen konnte, nur wenn ich mich auf einen Strohsack gegen das Feuer legte, empfand ich etwas Linderung, doch änderte es meine Plage nicht, bis mein Vater sich bei einem berühmten Arzt 40 Meilen von uns entternt Raths erholte, und ich durch den Gebrauch des vorgeschlagenen Mittels bald alle Schmerzen verlor; dagegen setzte auf der Kniescheibe eine Geschwulst, die nach und nach zunahm und sich in der Folge aufs Schienbein herunter zog. Erst im achten Jahr brach dieselbe ohne weitere Empfindung auf und heilte.
Aus diesen Vorkommenheiten, die ich bis zu meinem l9ten Jahr erfuhr, ist deutlich zu sehen, wie der Hüter meines Lebens über mich gewacht hat, und wie Er, wenn Menschenhilfe am Ende war, mich Seiner Wunderhand kräftig inne werden ließ. Auch in den von mir von meinem Vater anvertrauten Geschäften erfuhr ich seine gnädige Durchhilfe, und er schenkte mir, auch ohne mein Bitten, dazu die nötige Weisheit, daß ich hintennach daraus erkannte, wie sehr er Sünder liebt. Noch mehr wurde mir dieses aber aus seiner nachherigen Führung klar.
Bei Gelegenheit, daß meine Mutter Bruder Tochter sich bei uns aufhielt, versprachen wir einander die Ehe; da ich aber wußte, daß mein Vater nicht darein willigen würde, so verabredeten wir die Austührung unseres Versprechens anstehen zu lassen, bis wir unser Majorennes Alter erreicht haben würden, denn sie war damals erst 16 und ich 20 Jahre alt. Dieses war aber nicht von ohngefähr; es hielt eine höhere Hand über mir, indem ich in meinem 22. Jahre, als die Geschwister Andreas Eschenbacher, Anna Nitschmann, Benigna von Zinzendorf, und Moltern nach Oly kamen, erweckt wurde. Genannte Geschwister hielten sich eine halbe Meile von uns bei dem alten Leinbach auf, wo sie gewöhnlich abends eine Singstunde hielten, und in der Zwischenzeit in der Gegend besuchten. Ich bekam manches von ihnen zu hören, da ich aber lieber nichts von ihnen hörte, so machte alles das Gute, was von ihnen geredet wurde, keinen Eindruck auf mich.
Meine Schwester ging einst Abends dahin, und wurde so angefaßt, daß sie nicht genug Gutes von ihnen reden konnte; ich hörte es das erstemal so an, als sie aber nach ihrem 2ten Besuch mir mehr von ihnen erzählen wollte, hieß ich sie stille schweigen. Nach Verlauf von einigen Wochen besuchte ich unseren Nachbar, der ein Freund der Brüder und nebst seiner ältesten Tochter von ihnen getauft worden war. Dieser gute Mann, der mich sehr liebte, drang in mich, diesen Abend mit ihm die Brüder zu besuchen. Ich weigerte mich, er ließ aber nicht nach, bis ich darein willigte; ich dachte aber bei mir, ich will zwar mitgehen, mich aber schop in acht zu nehmen wissen. Wir gingen also miteinander zu dem Hause hin, und da wir hinkamen, setzten wir uns ans Kamin. Von den Mannsleuten, die eben da waren und noch hinkamen, wurden wir recht herzlich bewillkommt. Als die Zeit der Singstunde kam und sämtliche Geschwister hineingingen, wollte ich draußen bleiben; Br. Eschenbach kam aber zu mir, ergriff mich bei der Hand und führte mich hinein. Es wurde zuerst über den Tagestext geredet und dann gesungen. Hierbei durchdrang mich ein besonderes Gefühl, dem ich nicht länger widerstehen konnte. Nun gingen mir die Augen auf, daß ich sahe, in welchem erbärmlichen Zustand ich von Natur als ein Sklave der Sünde war. Ich versuchte oft und viel mir selbst aus diesem Zustand zu helfen, aber vergebens, dabei hatte ich weder Tag noch Nacht Ruhe ich kniete oft nieder und betete, es wurde mir aber immer banger ums Herz, bis sich der Heiland meiner erbarmte und mich tröstete, welches ich besonders in einer Nacht inne wurde, da ich des Morgens früh vergnügt und getrost, als von aller Last entledigt, aufstand. Dies wurden auch bald andere an mir gewahr, und als ich deswegen besorgt wurde, konnte ich auch nicht davon schweigen, was an mir geschehen war, wodurch ich mir viel Feindschaft und Verfolgung zuzog. Besonders war in meines Vaters Haus alles gegen mich. Ich war aber so vergnügt und selig, daß ich alles Schelten und erfolgen mit Geduld ertragen konnte. Mein Vater, der sehr aufgebracht gegen mich war, legte dennoch mehr die Schuld meiner Veränderung auf die Brüder und glaubte, daß sie mich verführt hätten. Da ich aber alles Schelten mit Gleichgültigkeit anhören konnte, so erregte dieses nur noch mehr Bitterkeit.
Ich resolvierte endlich (mit einem namens Mattheus Hofmann, der auch schon mit den Brüdern bekannt war) in Bethlehem zu besuchen. Wir kamen just zu einem Gemeintag dahin, und baten um die Aufnahme in die Gemeine, die uns auch zu unserer Beschämung im August 1742 zuteil wurde. Nach einem Aufenthalt von einigen Tagen gingen wir voller Freuden, daß wir jetzt zur Gemeine in Bethlehem gehörten, wieder zurück nach Oly. Beim Abschied von dem damaligen Pfleger der ledigen Brüder, Bruder Nathanael Seidel, sagte derselbe zu mir: “Du bist jetzt ein Glied unserer Gemeine, gehe in Gottes Namen, wohin du willst, ich will dich schon aufsuchen.” Dieses war mir sehr 235 eindrücklich und ich mußte bekennen: “Es ist unbeschreiblich, wie uns Jesus liebt” Bei meiner Nachhausekunft wurde ich zu meinem Erstaunen aufs liebereichste empfangen und es schien, als wenn mein Vater ganz zufrieden wäre. Einst redete er mich folgendermaßen an: “Mein Sohn, Johann Georg! Du willst gern fromm sein und ein anderes Leben führen wie bisher, ich will dir dazu behilflich sein; hier sind die 60 Acker Land, die will ich dir geben bis zu meinem Absterben, da du dann die Plantage übernehmen kannst; bau dir ein Haus und heirate die Person, die du gerne wolltest, ich habe mit ihr und ihren Eltern geredet, sie sind willig dazu; im übrigen will ich dir helfen, so viel ich kann, Pferde und Wagen stehen dir zu Diensten, die 2 Branntweinkessel und das Küfergeschirr soll deine sein, du kannst ja hier eben so gut wie andere selig werden, und von hier aus ihre Kirchen besuchen.”
Diese starke Versuchung fand Eingang bei mir, ich ging auf das Land, wo eine schöne Quelle war, steckte den Platz zum Haus und Garten ab, und fing an Blöcke zu hacken. Bei dieser Arbeit wurde ich aber so kontus, daß ich nicht wußte, was ich tat, und befürchtete, daß wenn ich länger mit der Arbeit fortPuhr, ich ganz verrückt werden würde; denn es hieß bei mir: du sollst nicht hier bleiben sondern nach Bethlehem gehen.
So bald ich dieser Stimme Gehör gab, wurde mir leichte ums Herz, und ich tuhlte mich gleichsam als von einer großen Bürde entledigt. Hieraus wurde mir klar, daß ich nichts anders tun könnte als folgen. Ich sagte diese einfältig meinem Vater, er geriet darüber aber in einen entsetzlichen Eifer, und glaubte ich wäre verrückt und von den Brüdern bezaubert; ich wußte darauf nichts besseres zu tun als stille zu sein und ihm mit Liebe zu begegnen. Nun kam aber die Person, die ich hatte heirathen wollen, und fragte mich, wie es denn mit der verabredeten Heirat sei? Ich konnte ihr darauf nur sagen, daß das, was ich ihr vorher versprochen, aus Einfalt geschehen sei; jetzt sei es mir anders, ich müsse mich erst bekehren, und wenn sie das auch tun wollte, so würde ich ihr hernach nähere Auskunft geben. Darüber wurde sie böse und ging davon. Hieraus konnte ich die Führung Gottes recht deutlich sehen; hätte Er nicht Seine Hand über mich gehalten, wo wäre ich sündiger Mensch hingeraten.
Ich wohnte indessen in meines Vaters Haus, aß an seinem Tisch ohnentgeltlich, arbeitete aber für mich auf der Schreiner‑ und Küfer‑Profession, und wenn mein Vater in der Ernte nötige Arbeit hatte, so half ich ihm seine Wirtschaft führen und auf alles acht haben. Diese wurde zwischen ihm und mir verabredet, als ich 21 Jahre alt war; bald darauf gab ich mich zu einem Schreiner um mich nicht nur in der Arbeit mehr zu perfectionieren, sondern mir auch noch etwas zu verdienen. In dieser Zeit meiner Abwesenheit sahe mein Vater, daß er mit seinem Knecht, dem es ganz einerlei war, ob etwas oder nichts gethan wurde, nicht fortkommen konnte, daher bat er mich, daß ich wieder bei ihm wohnen und seine Wirtschaft führen möchte, welches ich auch tat.
Bei Gelegenheit, da einst Indianer zu meinem Vater kamen um Branntwein zu holen, fühlte ich einen besondern Trieb, ihnen zu bezeugen, was Gott an den armen Menschen getan hat und noch tut; ich hörte sodann, daß von den Brüdern in unserer Gegend ein Synodus gehalten werden sollte und auch einige Indianer getauft werden sollten. Ich wohnte der Taufhandlung zu unvergeßlichem Eindruck bei; es wurden nämlich 3 Indianer, als die ersten von Schekomeko mit Namen Abraham, Isaac und Jacob im Beisein des Herrn Grafen von Zinzendorf von dem Missionario Christian Heinrich Rauch getauft. Wie mir hiebei zu Mute war, kann ich nicht beschreiben, es war auch unter allen Anwesenden eine große Bewegung. Ich dachte: lieber Heiland, würdige mich doch der Gnade, wenn ich einmal gründlich bekehrt bin, daß ich den armen Indianern sagen kann, was Du auch für sie getan hast.
Nun hatte ich auch keine Ruhe mehr in meines Vater Huas, denn es hieß immer bei mir: du gehörst der Gemeine, in die du aufgenommen worden bist; nur wußte ich nicht, wie ich es anstellen sollte denn ich konnte mich nicht entschließen, heimlich von meinem Vater zu gehen. Endlich fiel mir ein, daß er schon lange gewünscht hat; eine Windmühle zum Reinigen des Getreides zu haben und ich resolviene ihm eine zu machen, in der Hoffnung, daß er daraus doch schließen würde, daß ich ihn lieb habe und ihm gern behilflich wäre, wo ich konnte. So bald sie fertig war, stellte ich sie in die Scheuer, und es wurde gleich den folgenden Tag Gebrauch davon gemacht.
Ich schickte mich nun zur Abreise, und nachdem ich von meiner StieLmutter und Geschwistern Abschied genommen hatte, ging ich auch zum Vater und wollte ihm die Hand geben, er sagte aber, “ich gebe dir meine Hand nicht,” und bediente sich noch eines harten Ausdrucks. Ich ging sodann wehmütig von ihm, doch schien es, als ob ihn seine harte Handelweise gegen mich reuete.
Ich kam glücklich in Bethlehem an, und wurde sowohl vom Herrn Grafen von Zinzendorf als den Brüdern Nathaniel Seidel und Bezold mit vieler Liebe aufgenommen. Nun war ich an dem rechten Ort, den der Heiland für mich bestimmt hatte. An Beschäftigung fehlte es mir nicht, ich griff überall zu, wo ich hingestellt wurde, besonders half ich dem Br. Nitschmann beim Anbau am jetztigen Gemeinhause. Im November desselben Jahres (1742) wurde ich mit Br. Kaske und dem älteren Tanneberger mit 2 Wagen nach Braunschweig geschickt, um eine Gesellschaft Geschwister, die von Europa in New York angekommen und bereits nach Braunschweig unterwegs sein sollten, abzuholen. Auf dieser Reise standen wir mancherlei Ungemach aus sowohl von Kälte und Schnee, als auch auf andre Weise. Erfuhren aber auch die Bewahrung des Heilands. Am 2ten Tag der Reise, als wir ins Nachtquartier wollten und uns einen mit schweren Planken bedeckten Schuppen erwiesen wurde, die Pferde unterzustellen, und wir noch mit der Wirtin darüber sprachen, warf der Wind den Schuppen um. Daß wir nun unsere Pferde noch nicht untergestellt hatten, nahmen wir mit Dank als aus der Hand des Heilands an, ob wir gleich alsdann noch in der Nacht 6 Meilen weiter fahren mußten. Am 3ten Tag langten wir in Braunschweig an, und da ich im ersten Hause, worin ein Hutmacher wohnte, mich nach dem Mann erkundigte, an den wir gewiesen waren, sahe er mich an, und ohne mir auf meine Frage zu antworten, wollte er eine Hutform nach mir werfen, und fluchte mir als einen “Moravian”; ich war ganz erschrocken und bat den lieben Heiland mir doch den Mann zu zeigen, den ich suchte; als ich nun den Weg gerade fort ging, sahe ich in die Ferne einen Mann vor der Haupttüre stehen, der mir von weitem zuwinkte, und, als ich zu ihm kam, war es der, den ich suchte. Froh und dankbar, daß mich der Heiland erhört hatte, ging ich in des Mannes Haus, und er brachte uns in ein Wirtshaus, wo wir gut aufgenommen wurden; wir mußten hier noch 1 1/2 Tage auf die Europäischen Geschwister warten, und kamen dann glücklich mit ihnen in Bethlehem an. Sobald ich mein zurückgelassenes Werkzeug erhalten hatte, richtete ich mich auf mein KüferProfession ein.
Im Jahre 1743 wurde die Mahlmühle gebaut und daneben auch zugleich eine Werkstatt für mich eingerichtet, denn ich bekam neben meiner Profession auch die Mahlmühle zu besorgen. Im May d.J. hatte ich die Gnade zum erstenmal mit der Gemeine das heilige Abendmahl zu meinem unaussprechlichen Segen zu genießen, wobei ich meinen Bund mit dem Heiland erneuerte, nur für Ihn zu leben. Im Jahre 1745 wurde ich in der Nurserie angestellt, und diente hier mit Willigkeit vom May bis im August. Da ich die Kinder sehr lieb hatte, so genoß ich bei ihnen von meinem lieben Herrn manches selige.
Bei Gelegenheit des in diesem Jahr gehaltenen Synodi wurde ich nebst 30 Brüdern und Schwestern zur Acoluthie angenommen. Am 24ten August wurde ich durch Br. Spangenberg mit der verwittweten Schwester Anna Margaretha Büttnerin geb. Bechtel getraut. Wir reisten sodann nach 3 Tagen nebst Geschwister Oerters nach dem Falkners Schwamm, um daselbst in der Kinder-Anstalt zu dienen. Anno 1746 wurden wir nach Bethlehem zum Dienst in der Nurserie bei den kleinen Kindern gerufen. Im August desgleichen Jahres nahm mich Br.Spangenberg nebst noch einer Gesellschaft Brüder mit nach dem im vergangenen Frühjahr angelegten Gnadenhütten an der Mahony. Am 10. September wurden meine Frau und ich durch die Geburt unserer Tochter Anna Maria erfreut; es war ein sehr schwächliches Kind.
Zu Ende Novembers ging ich nach Bethlehem, meine Frau, welche dort kränkelte, zu besuchen und abzuholen, wozu ich die Indianer Schebo und Josua als Reisegefährten mitgenommen hatte. Ersterer hatte ein Pferd, auf welches er auf der Rückreise meiner Frau ihre Betten nahm; meine Frau ritte auch und hatte das Kind bei sich; Josua und ich gingen zu Fuß; da es ein sehr kalter Tag war, war das Kind sehr unruhig und weinte unaufhörlich. Endlich, da es schon Abend wurde, und wir noch 6 Meilen zu machen hatten, forderte Josua das Kind, er wollte es an Ort und Stelle bringen; er nahm’s und wickelte es in ein Blanket und lief so davon, daß wir ihn nicht einholen konnten; das Kind wurde bei ihm stille und schlief ein. Als wir an die Lecha kamen, war sie so angeschwollen und ging bei starkem Nordwind stark mit Grundeis, daß Josua zweifelte, ob wir hinüber kommen könnten. Auf dieser Seite konnten wir nicht wohl bleiben, weil man des starken Windes wegen kein Feuer machen konnte. Ich wagte es daher auf die Hilfe des Heilands; meine Frau nahm das Kind wieder mit aufs Pferd und ich führte letzteres durch die Lecha durch. Ob es wohl eine sternhelle Nacht war, so konnte ich doch nicht das jenseitige Ufer sehen und richtete mich nur nach dem Berg auf der anderen Seite. Der Heiland half uns glücklich durch, aber ich konnte es vor Kälte kaum mehr aushalten; Josua, der auch zu Fuß durch die Lecha gegangen war, rief: “Bruder, ich bin fast tot!” Und ich mußte ihm von mir ein gleiches sagen, denn wir waren bis über den halben Leib durchnäßt und die Kleider waren gleich steif gefroren, daß wir kaum gehen konnten; ich ließ indessen den Schebo und meine Frau nebst dem Kind fortreiten, nach und nach kamen wir durch viele Bewegung auch in Gang und langten dann glücklich in dem lieben Gnadenhütten an, froh und dankbar für den Schntz unsers lieben Heilands und besonders dafür, daß meine Frau und Kind die Strapazen der Reise nicht nur nichts geschadet, sondern beide noch gesünder wurden als zuvor.
Ich bekam den Auftrag, die Indianer-Brüder zur Arbeit anzuhalten, welches für mich eine eigene Schule war, weil ich nie gewohnt war, meine Arbeit zaudernd zu tun; indes half mir der Heiland auch hierbei, daß ich mit ihnen durchkam. Es wurde hier auch bald eine Mahl- und Sägemühle gebaut; als dieselbe fertig war, übernahm ich das Mahlen und Sägen und besorgte es 1 1/2 Jahr. Nach dem Heimgang der Schwester Mack, fiel auch die Besorgung der Wirtschaft auf uns.
Im Jahre 1751 ging der liebe Heiland eine eigene Schule mit mir durch, bei der Gelegenheit, da einige Geschwister von der Gemeine gingen, und ich auch schon einige Zeit mit dem Gedanken umgegangen war, ohnerachtet der selige Bruder Cammerhof mir die unseligen Folgen davon vorzustellen suchte. Diese wohlzumeinende Warnung konnte mich aber nicht davon abbringen, bis der liebe Heiland für gut fand, mir eine Krankheit zuzuschicken. Ich nahm nämlich zum Auflösen eines Knotens eine Gabel zu Hülfe und stach mich damit unter dem Nagel des Daumens und zwar 2 mal; ich achtete es anfangs nicht; nach 8 Tagen stellte sich aber eine Entzündung mit Rotlauf an und ich bekam solche Schmerzen, daß ich Tag und Nacht keine Ruhe hatte, ich versuchte manches, die Schmerzen zu stillen aber vergeblich; endlich war ich genötigt, einen Arzt von Bethlehem kommen zu lassen, und nachdem er 2 Mal in Gnadenhütten gewesen und nicht den besten Erfolg seiner Kur sahe, verordnete er, daß ich nach Bethlehem gebracht werden müßte,dieses konnte meiner Schmerzen und des bergigten Weges wegen weder mit einem Wagen noch mit einer von 2 Pferden getragenen Sänfte geschehen; es erboten sich daher 2 Indianer mich mit dem Canoe dahin zu bringen; ich wurde in Bethlehem aufs beste gepflegt, aber die Geschwulst zog sich immer weiter den Arm hinauf, so daß er an 10 Orten geöffnet werden mußte. Durch das beständige Wundfieber ohne Schlaf und Appetit zum Essen, wurde ich endlich ganz entkräftet, daß der Arzt und die Arbeiter ganz bedenklich über mich wurden und ersterer mich fragte, ob ich nicht meine Frau von Gnadenhütten wollte kommen lassen, denn ich könnte wohl bei dieser Gelegenheit heimgehen? Ich erwiderte aber: Nein, ich werde dieses Mal nicht heimgehen. In der folgenden Nacht brach sich die Krankheit, es stellte sich Appetit zum Essen ein, meine Hand fing an zu heilen und nach 6 wöchentlicher Kur war ich ganz gesund und ich konnte wieder nach Gnadenhütten gehen. O wie manche Dank- und Freudestranen habe ich meinem guten Herrn für seine Langmut und Verschonen geweint! Seine Nähe war allemal bei den größesten Schmerzen mein Linderungsbalsam gewesen. Nun aber hatte Er seinen Zweck mit mir erreicht; jetzt hieß es bei mir: Lieber Heiland, keine Mühe hast du an mir gespart, mich zur Gemeine zu bringen, nun gebe ich auch auch gern alles hin, nur eins nicht, die Gemeine.
Im Jahre 1753 wurden wir nach 7jährigem Dienst in Gnadenhütten von Geschwistern Kühnahts abgelöst; wir reisten sodann nach Bethlehem, wo ich meinen Schwiegervater Bechtel in der Drechsler-Profession unterstützte. 1754 erhielten wir einen Ruf unter die Indianer nach Pachgatgoch in New England. Wir reisten nebst den Brüdern Rund und Martin Mack anfang Februar über New York dahin ab; Bruder Mack und meine Frau ritten, und Bruder Rund und ich gingen zu Fuß. Des 1 1/2 Fuß tief gefallenen Schnees wegen ging unsere Reise sehr langsam, indem wir nicht auf der ordentlichen Straße bleiben konnten sondern die Fencen auflegen und über die Felder gehen mußten; die strenge Kälte war uns bei unsrer dünnen Kleidung auch sehr empfindlich und es war mir zum Wunder, daß meine Frau nicht ihre Gesundheit einbüßte; denn dazumal wurde nicht für das bequeme Reisen der Missionarien gesorgt, sondern, wenn heute jemand einen Ruf auf einen Posten bekam, so konnte er schon morgen oder übermorgen die Reise antreten, ohne daß er gefragt wurde, ob er warme Kleider habe?
Am 8ten Februar langten wir mit Lob und Dank gegen unsren lieben Heiland an den Ort unserer Bestimmung an. Wir wurden sowohl von den Brüdern Abraham Büninger und Ludwig Hübner als auch von den Indianern-Geschwistern aufs herzlichste bewillkommt, vorzüglich aber erregte die Ankunft meiner Frau bei den Schwestern sehr große Freude, weil sie dadurch ihren sehnlichen Wunsch, eine Schwester aus der Gemeine zu ihrer Pflegerin zu bekommen, erfüllt sahen. Es waltete hier Gnade und gegenseitige Liebe und Zutrauen. Da ich mich auf der Küfer-Profession einrichtete und mehr Arbeit bekam, als ich zu liefern im Stande war, so fanden wir dadurch unser Bestehen im Äußern.
Bei manchen seligen Erfahrungen kamen doch auch manche betrübenden Umstände vor, die der damalige Krieg mit den Franzosen mit sich führte; letztere hatten nämlich durch die List eines Indianer-Captains einige junge Leute von unseren Indianern in ihren Dienst geworben. 1757 wurden wir nebst unserm Kinde nach Bethlehem gerufen, indes die Brüder Sensemann und Eberhard diesen Posten versehen sollten. Wir reisten Anfangs July ab. Als wir an die West Branch kamen, fanden wir sie so angeschwollen, daß wir nicht durchreiten konnten. Ich erblickte in der Ferne eine Plantage und ging darauf, um mich zu erkundigen, ob wir nicht mit einem Canoe über die Creek kommen könnten. Der Eigner der Plantage kam mir in einer kleinen Entternung entgegen; sein […] ich zu ihm, mich zu erkundigen, ob ich nicht ein Canoe zum hernberfahren bekommen könnte? Er fragte ferner, wo ich herkäme? Von New England aus einem neuen Örtchen Pachgatgoch genannt; was wir da getan? Die Indianer mit ihrem Schöpfer und Erlöser bekannt gemacht; nun wurde er noch böser und sagte; er wünsche, daß sie alle in der Hölle wären: “Nein”, sagte ich, “das ist nicht Gottes Wille, sondern sein ernster Wille ist,
daß wir alle sollen selig werden, darum hat Er uns durch Sein Blut und Tod teuer erkauft, daß wir nicht verloren gehen sollen, und darin sind die Indianer auch mit eingeschlossen so gut wie die weißen Leute. ” Auf einmal wurde der Mann ganz anders, bat uns in sein Haus zu kommen, setzte uns Brot, Butter und Milch vor und sagte: wenn wir nur ein paar Stunden warten wollten, so sollten wir hinüber kommen, welches auch so geschahe.
So half uns dann der Heiland glücklich nach Bethlehem, wo es uns recht wohl war. Nach 6 wöchentlicher Aufenthalt reiste ich im August als Begleiter des Br. Spangenbergs, der in Pachgatgoch besuchen wollte, wieder zurück. In New York, wo Br. Spangenberg Geschäfte hatte, hatten wir einen 8-tägigen vergnügten Aufenthalt. Auf der weiteren Reise, da mir der Weg bekannt war, nahm ich mir vor an einem bestimmten Ort zu übernachten; als wir aber etwa noch 4 Meilen davon entfernt waren und aus Versehen eine Meile umgeritten waren, kamen wir an ein Haus und baten uns einen Trunk Wasser aus; der Eigner des Hauses bat uns nicht nur herein zu kommen, sondern auch bei Ihm zu übernachten, welches letztere mir gar nicht einleuchten wollte, da es noch so hoch am Tage war, und wir noch nicht zeitig das von mir bestimmte Logis hätten erreichen können; indessen stieg Br. Spangenberg vom Pferd und ich mußte folgen. Nun zeigte sich, daß dieser Mann um seine Seligkeit verlegen war, und schon vieles versucht hatte, aber zu keiner Ruhe des Herzens hatte gelangen können. Bruder Spangenberg pries ihm die Sünderliebe Jesu mit warmen Herzen an, wie Er um uns von der Sünde zu erlösen, in Not und Tod gegangen, dieses solle er glauben, und als für ihn getan annehmen. Das war ein Balsam auf des Mannes Herz; er wurde zu unserer Verwunderung gleich froh und heiter. Auf Befragen bei unserer Abreise, was wir ihm schuldig wären, dankte er uns recht herzlich für die ihm erwiesene Liebe, und bat inständig, wenn einer oder der andere von uns noch einmal diese Tour machte, ihn doch ja nicht vorbei zu gehen, sondern bei ihm zu übernachten. Wir nahmen dieses Anerbieten mit Dank an und setzten sodann unsre Reise fort. Nun fragte mich Bruder Spangenberg, was ich von der Nachtherberge dächte? ich stand beschämt da, zumal es mir doppelt wichtig war, weil wir, um zu diesem Mann zu kommen, irre reiten mußten. Er sagte aber, “Nun’s wahr! Wenn dich jemand bittet auf der Reise bei ihm einzukehren, und du noch so begierig bist, dieselbe zu endigen, so beschäme den Menschen nicht, und gehe hinein. ”
Nach vielen angenehrnen Unterhaltungen langten wir in Pachgatgoch an, wo wir die Brüder Sensemann und Eberhard wohl fanden. Bruder Spangenberg hielt sich etliche Tage hier auf. Bruder Eberhard wollte nicht länger hier bleiben; es wurde daher resolviert, daß Bruder Sensemann und ich diesen Posten für die Zeit besorgen sollten.
Im April 1758 wurden wir von Geschwistern Schmicks abgelöst, und ich und meine Frau erhielten den Auftrag die Keller, und Milchwirtschaft in Christiansbrunn zu übernehmen. 1759 kamen wir wieder nach Bethlehem, die Seifensiederei und das Lichtermachen zu besorgen, wobei ich auch noch die Küferei trieb. 1769 erhielten wir wieder einen Ruf unter die Indianer und zwar nach Wihilusing an der Susquehanna, den wir im GeBühl unserer Dürftigkeit, und auf den Beistand und die Durchhilfe des lieben Heilands vertrauend, annahmen. Nachdem wir hierzu abgefertigt waren, wurde ich zu einem Diacono und meine Frau zur Diakonisse eingesegnet, und wir traten unsre Reise froh und dankbar gegen unsren lieben Heiland, der uns 10 Jahre in der Gemeine so viel Gutes hat geniessen lassen an und langten am 8ten Juni in Begleitung einiger 20 Indianer, die uns abzuholen gekommen waren, glücklich auf unseren Posten an.
Im folgenden Jahr wurden wir wieder von hier abgerufen, und zwar unter die Indianer in Langentoutenunk an der Ohio zu den Brüdern Zeisberger und Sensemann. Am 8ten October 1770 reisten wir ab und langten am 28ten des Monats an den Ort unserer Bestimmung an, dankbar für die in so später Jahreszeit zurückgelegte über 400 Meile weite Reise. Aber welch ein Gebühl durchdrang uns, als wir sahen, welch eine Begierde nach dem Worte Gottes unter der lieben braunen Schaar waltete. Mit Erstaunen konnte man die Arbeit des heiligen Geistes an ihren Herzen wahrnehmen. Beim Erwachen in der Nacht hörte man sie in einer Hütte singen, und in der andern beten. Es war in der Tat eine
recht selige Zeit.
Nachdem wir hier 2 Jahre recht vergnügt verbracht, zogen wir im October 1772 nach Schönbrunn, 100 Meilen weiter nach Westen. Mit Vergnügen trafen wir hier die Geschwister am Bau ihrer Winterhäuse arbeiten; ich machte dann auch gleich Anstalt zum Bau des meinigen. Schönnbrunn, ein hübsches Örtchen, das erst seit 4 Jahren angelegt war, bestand nun schon aus 40 Häusern, ohne die Hütten, worin mal über 300 Indianer wohnten. Es waltete hier wahre Gnade; man konnte sagen, daß die meisten Indianer in der Marter Gottes lebten, und es war eine rechte Freude, sie zu sehen und bei ihnen zu wohnen. Uber 200 Acker Land war bereits geklart, das die schönsten Früchte lieferte. 1776 brach der verderbliche Krieg mit den Indianern aus, das arme Volk geriet dabei in die Irre und Kontusion, (daß der Platz aufgehoben werden mußte). Im April 1777 verließen wir diesen lieben Ort und zogen nach Lichtenau. Da der Krieg immer heftiger wurde, so wurde fur gut gefunden, darauf anzutragen, die Missionarien hier zu vermindern, und zu unserem Schmerz traf es uns, von hier abzureisen. Indessen war es uns doch tröstlich, in der Hand des lieben Heilands zu sein, der uns in den 7 Jahren unsers Hierseins mit mehr als Mutterhänden geleitet, und mit Langmut und Verschonen getragen. Ihm sei Lob, Preis und Dank gebracht!
Wir reisten dann am 6ten August 1777 ab und langten am 29ten des Monats wohlbehalten in Bethlehem an. Hier wurden wir mit unserem Sohn Johannes bei der Ferry an der Lecha angestellt, in welchem Geschäfte wir 3 Jahre verblieben. Im Jahr 1781, als Bruder Johannes Friedrich Reichel zur Visitation hier war, kam Bruder David Zeisberger hieher, und nachdem er verheiratet worden war, folgten wir dem aufs neue erhaltenen Rufe, dem Heiland bei der Indianer-Mission zu dienen, und gingen aufs neue gestärkt mit Geschwistern Zeisbergers am 8ten Juli auf die Reise und trafen am 28ten des Monats bei der Indianer Gemeine in Schönbrunn zu deren großen Freude ein. Ich glaubte aber nicht, daß unser Hiersein nur von so kurzer Dauer sein würde. Am 2ten September kam ein Captain von den Huronen mit 6 seiner Krieger, mich zu besuchen; sie gaben mir alle recht freundschaftlich die Hand; ich arbeitete aber an einem Milchgeschirr von Rothendernholz, welches sie von mir kaufen wollten, um es als ein Eßgeschirr auf der Reise zu brauchen. Ich erwiderte, daß ich es ebenfalls sehr nötig brauche. Sie sahen sich dann mein Werkzeug an; ich zeigte ihnen, wie man es brauche, worüber sie sich verwunderten. Darauf gingen sie in mein Haus, sahen sich alles an, und nahmen sodann nach einem kurzen Aufenthalt recht freundlich Abschied, und gingen wieder zurück nach Gnadenhütten. Meine Frau war nicht zu Hause gewesen. Den anderen Morgen schrieb mir Bruder Zeisberger: “Heute sieht es sehr dunkel und verfinstert aus, und ich kann gar nicht durchsehen, was es werden wird.” Gegen Abend desselben Tages, da es schon ziemlich dunkel war, kam Bruder Ignatius ganz außer Atem zu mir gelaufen, und sagte, daß unsre Brüder in Gnadenhütten gefangen genommen worden, und schon einige Krieger auf dem Wege hieher wären, die ein gleiches mit uns tun wollten.
Es war Sonnabend, ich war allein zu Hause, als mir dieses gesagt wurde. Die Schwestern waren alle beisammen; ich ging denn zu ihnen, und machte ihnen dieses auch bekannt, damit sie nicht gar zu sehr erschrecken möchten, wenn es geschieht. Indem ritten 3 dieses Haus vorbei und gerade vor meine Türe, wo sie ihre Pferde stehen ließen und in mein Haus gingen; ich ging gerade auf sie zu, und sahe nun, daß es der Captain–der mich gestern besucht hatte-mit seiner Schwester und einem Krieger waren. Ersterer faßte mich bei der Hand, setzte mich auf dem Stuhl, und der Krieger setzte mir mit einer Hand die Pistole auf die Brust, und in der anderen hatte er eine Büchse. Der Capitain sagte darauf, daß er gekommen sei, mich und alles, was ich hätte, in Verwahrung zu nehmen, welches wir alles wieder bekommen sollten; wir würden nicht geschlagen werden wie sonst andere, die zu Gefangenen gemacht werden; würden wir uns ihnen aber widerstehen, so wären 20 Krieger auf dem Wege, die bald hier sein würden, die sollten uns das Beil in den Kopf schlagen und uns alles nehmen. Meine Antwort war: tut was ihr wollt. In diesen bangen Stunden ließ mich der liebe Heiland besonders Seine liebe Nähe fühlen, statt Angst und Furcht flößte Er mir Mut ein, getrost und unverzagt zu sein, es sollte mir und uns allen ohne Seinen Willen kein Haar von unserem Haupte fallen. Des Captains Schwester sprach gut Englisch und war die Dolmetscherin. Nun ging’s über unsere Sachen her, die Betten wurden aufgeschnitten, die Federn in die Luß geschmissen, das Inlett zu den andern Sachen ins Canoe gebracht. Als sie die Kisten ausgeleert und so das Haus ausgeplündert hatten, machten sie es aber so in Geschwister Zeisbergers Haus. Nachdem sie auch damit auch fertig waren und alles ins Canoe gebracht hatten, wurden auch wir hineingetührt; es wurde uns doch erlaubt, 2 Indianerbrüder mitzunehmen, und so fuhren wir ab.
Es war eine kalte Nacht und da wir wenig Kleider anhatten, mußten wir sehr frieren. Auf dem halben Wege mußten wir ans Land gehen und Feuer machen, um uns ein wenig zu wärmen, dann fuhren wir weiter und kamen mit Tagesausbruch vor Gnadenhütten an, wo noch untersucht wurde, ob wir nicht etwa silberne Schuhschnallen oder sonst etwas bei uns hätten; sie fanden aber nichts. Nun mußten wir noch so lange warten und frieren, bis die Eigner zu unseren Sachen herbei kamen; dann wurde der Kriegsausbruch angestimmt und so in Gnadenhütten eingezogen, wo wir über 8 Tagen blieben. Hier gingen sie all in ein kleines Häuschen, wohin wir auch gebracht wurden; wir mußten zusehen, wie sie unsre Sachen unter sich teilten. Sie erlaubten uns, während unseres Hierseins zu Bruder Schebosch zu ziehen. Darauf gingen wir weiter nach Salem, bis wohin wir weiße Geschwister noch alle beisammen waren. Hier durchdrang uns ein eigenes Gefühl, als wir die 3 Gemeineplätze als aufgehoben ansehen mußten und genötigt wurden, uns von unseren Indianer-Geschwistern zu trenne. Wir wurden veranlaßt, uns zu untersuchen, ob wir nicht in vielen Stücken hieran Schuld waren. Mit Scham und Schmerzentränen baten wir Ihn unseren Herrn und Heiland, uns unserer großen Mängel und Gebrechen wohl bewußt, um Seine gnädige Absolution, die Er uns auch im vielen Maß zu Teil werden ließ, worauf wir uns noch vor unserer Trauung durch den Genuß Seines Leichnams und Blutes im heiligen Abendmahl stärkten und erquickten und uns mit neuem Muthe ganz in Seine Wege übergaben.
Von hier gingen wir zusammen, teils zu Wasser die Muskingum hinunter, teils zu Land bis zur Walhanding, von wo wir wieder teils zu Wasser die Walhanding hinauf, teils zu Land bis Goschachgünk gingen. Hier kam auch der Indianer Josua mit unseren
Tagen gings von hier weiter. Die Krieger gaben mir ein Füllen zum Reiten in der Meinung, daß es mich herunterwerfen würde, sie fanden sich aber betrogen, es ging zu aller Verwunderung wie ein altes Pferd. Nun kamen wir nach Ober-Sandusky über 100 Meilen von unserem vorigen Wohnort ganz im Busch. Hier hieß es, seht ihr zu, wovon ihr leben könnt. Unser Trost aber war, wir haben einen Vater, der dem kleinsten Kreatürchen den Unterhalt nicht versagt, der wird auch für uns sorgen; und so wie die Not am größesten, war Seine Hilfe am nächsten; kaum war’s bekannt, daß wir da waren, so kam ein Indianischer Handelsmann zu uns, um zu sehen, was wir bedurtten; er besorgte uns gleich etwas Welschkorn, worüber wir ganz gerührt unserem Herrn unser Dankopfer bringen konnten, der unsrer schwachen Glauben nicht beschämt hat, und wenn Er uns, wie ehmals Seine Jünger, fragen sollte: habt ihr auch je Mangel gehabt? wir auch beschämt und gebeugt antworten müßten: Herr, niemalen!
Da der Winter nahe war, bauten wir uns kleine Häuser; Bruder Zeisberger und ich führten uns zusammen ein Häuschen 12 Fuß im Viereck mit Kamin und Schornstein auf, wo wir recht vergnügt beisammen wohnten, doch nur auf kurze Zeit; ein Brief vom Major aus Detroit brachte die Nachricht, daß wir nach Detroit gebracht werden sollten, welches uns bei dem Weg und Wetter fast unmöglich schien; endlich wurde nach reiflicher Überlegung resolvirt, daß Bruder Zeisberger nebst den Brüdern Heckewelder, Sensemann, und Edward mit noch 4 Indianern dahin gehen sollten, und Bruder Michael Jung und ich sollten zurückbleiben. Hier blieben wir 4 Wochen von ihnen getrennt, ohne im mindesten (außer schlechten Gerüchten von bösen Menschen) etwas von ihnen zu hören.
In dieser Zeit nahm der lieber Heiland 2 Indianer Kinder, einen Knaben von 12 Jahren und ein Mädchen von 2 Tagen, ein Enkelkind vom Chief Netawatwees zu sich; beide taufte ich noch vorher in Jesu Tod. Unsre Versammlungen wurden, da wir keine Kirche hatten, unter freiem Himmel gehalten: in den Abendversammlungen wurden statt des Lichts Feuer gemacht. So bald unsre Brüder wieder zurüchkamen, bauten wir eine Kirche, weil wir glaubten, hier bleiben zu können. Wir suchten uns sodann zum Zuckerkochen einzurichten und einen Platz zum Pflanzen zu bereiten; ganz unerwartet kam aber ein Befehl vom Major aus Detroit, daß wir weiße Geschwister alle zusammen dahin gebracht werden sollten. Dieses fuhr wie ein Donnerschlag in unsre Herzen, zumal wenn wir unsre lieben Braunen ansahen; wir konnten nichts als sie mit vieler Wehmut unsrem Herrn empfehlen, da diese Seine gnädige Zulassung uns nicht klar war. Nach einem wehmütigen Abschied von ihnen gingen wir im Monat März mit unserem Führer, einem Englischen Off~zier, von Geburt einen Franzosen, namens Leselieu, der unsre Beschwerden sehr erleichterte, von Ober-Sandusky ab. In unserem ersten Nachtlager, da wir etwa 20 Meilen zurückgelegt hatten, bekamen wir durch einen Boten die äußerst Jammer und Not hat Er als unser gütiger Gott über uns Flügel gebreitet! Dort vor Seinem Throne werden wir Ihm erst das schuldige Lob und Dankopfer anstimmen können. Nun fand Er es für gut, uns hier ausruhen zu lassen. Nach dem Heimgang des Bruder Nixdorf wurde mir das Dienen im Gemeinhause und die Besorgung der Lampen empfohlen, und nach dem Heimgang des Bruder Zahm übernahmen wir auch noch die Kellerwirtschaft und den Essighandel.
Am 22ten November 1793 gefiel es meinem guten Herrn, mich von meiner treuen und mir unvergeßlichen Gehilfen zu trennen und sie zu sich zu nehmen; ein Schmerz, den nur Er lindern konnte! Beim Abschied von ihr sagte ich ihr: “Du gehst voran und ich folge dir bald nach,” welches ich damals nicht entternt glaubte; allein des Herrn Gedanken sind nicht allemal die unseren; Er fand es für gut mich noch länger hienieden zu lassen. Unsere 48jährige Ehe hat Er mit 8 Kindern, nämlich 4 Söhnen und 4 Töchtern gesegnet, die außer einer Tochter Anna Maria, verehelichte Bruckerin, so in St. Thomas heimgegangen, alle am Leben sind. Nach dem Heimgang meiner lieben Frau bediente
mich meine Tochter Susanna, die ihre Mutter 2 ganze Jahre in ihrer Krankheit treulich bis zu ihrem Verscheiden gepflegt hat, aufs beste, und unterstützte mich auch noch 9 Jahre in den mir anvertrauten Geschäften bis zu ihrer Verheiratung am 23ten September 1801 mit dem ledigen Bruder Johann Heinrich Schulz. Nunmehr nahm ich meine 2te und letzte ledige Tochter Elisabeth zu mir, die mich über 1 Jahr treulich bediente und mir bei meinen Geschäften half bis zu ihrer Verheiratung mit dem Bruder Conrad Gerhard in Philadelphia am 8ten November, 1802. Da ich nun meine Schwäche von Tag zu Tag immer mehr inne wurde, so sahe ich mich genötigt, um die Ablösung von meinen Geschäften und um ein Ruheplätzchen zu bitten. Dies wurde mir auch am 20ten November gewährt. Ich übergab mich nun meinem Sohn Johannes und dessen Frau Dorothea in die Pflege. Wir zogen am genannten Tage in das für uns im Knäbchen Schulanstalt eingerichtete Logis.
Nun ruhe ich und seh’ Ihn an,
Der viel, sehr viel an mir getan:
Vergönne mir, o Herr, vergönne mir
In diesen meinen schwachen Tagen
Mich stündlich nur an Deinen Wunden zu laben,
Bis Du einst rufest mich, ja rufe mich.
So weit der selige Bruder selbst.
Unser ehrwürdiger Bruder Jungmann genoß seinen Sabbath, sich selbst zum Segen und andern zu vieler Erbauung. Seine Seele lebte wirklich in der Marter Gottes, und dies äußerte sich in seinem ganzen Wesen. Nicht nur seinen nächsten Freunden sondern auch allen mit ihm mehr oder weniger Bekannten flößte seine liebhabende und freundschaftliche Art Achtung ein. Durch die vielerlei bis in sein hohes Alter gemachten Erfahrungen fand man seinen Umgang immer lehrreich und angenehm, besonders da er keinen Akzent auf eigenes Verdienst legte, sondern alles der Gnade und Barmherzigkeit des Heilands zuschrieb, die sich an ihm so herrlich veroffenbart hatte.
So lange er noch in der Nähe des Gemeinsaals wohnte, besuchte er die Versammlungen, so oft es seine Kräfte zuließen. Außerdem las er gern in der heiligen Schriß, die Gemeinnachrichten und andere Gemeinschriften. Als einem alten Missionario blieb ihm das Missionswerk immer eine Lieblingssache, die Er dem Heiland im Gebete fleißig und angelegentlich empfahl und bei der oftmaligen Zurückerinnerung an die ehemaligen gesegneten Zeiten bei der IndianerMission schmerzte es ihn um so mehr, daß es dermalen bei derselben nicht so geht, wie man es wünscht. Seit mehreren Jahren war er ein Mitglied des hiesigen Aufseher-Collegii gewesen und konnte aus seiner langen Erfahrung oft guten Rat erteilen. In seiner äußeren Pflege erfuhr er noch im vorigen Jahr eine Veränderung, indem seine liebe Schwiegertochter, die ihn so lang sie konnte, treulich pflegte, im März heimging. Nun zog er zu seinen Kindern Geschwister Schulze, wo es ihm besonders gemütlich war, daß seine Tochter Susel ihn so, wie ihre selige Mutter, bis an sein Ende pflegen konnte, welches sie auch nebst ihrem lieben Mann mit kindlicher Liebe und vielem Vergnügen tat, wofür er ihnen reichen Gnadenlohn vom Heiland wünschte.
Seit letztem Herbst war es ihm mancher Alterschwächen wegen nicht mehr möglich auf den Saal zum heiligen Abendmahl zu gehen; daher es ihm eine besondere Freude war, daß er es in seiner Wohnung in Gesellschaft seiner lieben Nachbarn, den eben auch alten und schwächlichen Brüdern Schindler und Hornig genießen konnte; der liebe Heiland bekannte sich recht freundlich dazu, und es wurde dabei jedesmal in ihm die Sehnsucht aufs neue rege, bald zu dem großen Abendmahl, das Er seinen armen Sündern droben bereitet hat, einzugehen. So war es ganz besonders bei dem letzten Abendmahl am 9ten Juli, da er schon seit einigen Tagen mit einem Brustfieber befallen war. Er freute sich der nahen Hoffnung dazu. So oft man ihn in seiner Krankheit besuchte, fand man ihn auf seinen Herrn wartend, und es wollte ihm weh tun, da sich einiger Anschein zur Besserung zeigte, der jedoch bald wieder verschwand. Indessen hatte er es den Umständen nach erträglich, wofür er auch den Heiland nicht genug preisen konnte. Am 17ten Juli gegen Abend sahe man, daß der Heiland seine Sehnsucht bald stillen werde; es wurde ihm daher nach der Gemeinstunde im Getühl des Friedens Gottes der Segen des Herrn und der Gemeine zu seiner seligen Heimfahrt erteilt und er stimmte nach mit schwacher Stimme in den Gesang mit ein. Bald nach 10 Uhr entschlief er recht sanft, fast unvermerkt, um einzugehen in Seines Herrn Freude.
Sein Alter hat er gebracht auf 88 Jahre 2 Monat und 28 Tage.
Seit unser seliger Bruder seinen Aufsatz verfertigt hat, ist noch sein Sohn Jacob (ohnweit Sommerset) und seine Tochter Anna Rosina Eberlin ihm in die Ewigkeit vorangegangen. Es leben also jetzt noch 3 Söhne, nämlich Johannes hier in Bethlehem, Peter in Lititz und 760 Gottlob in Reading und 2 Töchter Elisabeth Gerhard in Philadelphia und Susanna Schulz hier in Bethlehem.
Er erlebte auch 10 Enkel und 1 Urenkel.